Besitzer: Gestüt Ammerland
Züchter: Gestüt Ammerland
Jahrgang: 1998
Pedigree: Java Gold - Britannia
Status: Rentner
Standort: Gestüt Ammerland
Starts: 14 / Siege: 3 / Plätze: 6
Gewinnsumme: 958.500€
GAG: 100,0kg
J.A. Reid
K. Fallon
A. Suborics
O. Peslier
Am Mittwoch, dem 09.04.03 um 13 Uhr, war es soweit. Ein besonderes Kapitel der jüngsten deutschen Rennsporthistorie wird geschlossen und gleichzeitig eine neue Ära eingeleitet. Boreal, der kapitale Java Gold-Hengst, verlässt ganz im Stillen seine Wirkungsstätte, den Asterblüte-Stall, und macht sich auf den Weg nach Hause, um dort seine neue Karriere als Beschäler zu beginnen. Nach Hause, das bedeutet Richtung Süden in das oberbayrische Gestüt Ammerland, am Rande des Starnberger Sees. Es bedeutet auch zurück zu den Wurzeln, zurück zu seiner nicht minder berühmten Mutter Britannia und der Schwester Borgia, die dem „kleinen Bruder“ in nichts nachsteht. So wird dieser Ortswechsel, des von vielen liebevoll „Boris“ genannten Hengstes mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen werden.
Wenn es auch für das gesamte Quartier einen großen Verlust bedeutet, wird für einen Menschen am Stall von Peter Schiergen wohl für den Moment das weinende Auge überwiegen: Gregor Axler. Er bekam den Ammerländer vor dreieinhalb Jahren, damals noch namenlos, anvertraut, und avancierte zu seinem ständigen Begleiter, Reiter und Pfleger. Gregor, ein Vollprofi in diesem Sport und sich auch des Abschieds immer bewusst, musste dann aber doch schlucken, als er seinen Boreal eine letzte Runde im Rennstall führte. „Wir waren nur eine kurze Runde unterwegs, und dann war schon kein Namensschild mehr an der Tür. Auch die goldene Tafel für den Derbysieger war verschwunden. Das gab mir einen kräftigen Stich.“ Kein Freund von langem Abschiednehmen, brachte er seinen Freund noch in den Transporter, ein letzter Klaps, Umdrehen – Bye Bye. Den letzten gemeinsamen Trip, den das Team Gregor/Boreal unternahm, ging ein weiteres Mal in das Rennsportparadies Dubai, an die Wirkungsstätte zurück, die für beide ein Jahr vorher zu einem unerwartet erfolgreichen Ergebnis geführt hatte.
Trotz eines Hufproblems und dem sieben Monate vorher erlebten heftigen Sturz im Preis von Europa gab es für Boreal unter Kieren Fallon einen dritten Platz zu verbuchen. Und dies nach einem nicht optimalen Rennverlauf. Diese Vorgabe wollte man gerne noch einmal wiederholen, und alles deutete auch auf ein ähnliches Ergebnis hin. Wer Boreal noch auf der Weidenpescher Bahn im Training beobachtet, hatte den Eindruck, der Hengst hätte wieder Spaß an seiner Tätigkeit gefunden. Er sah aus wie ein Rennpferd in Vollendung, ging in bestechender Haltung seine Arbeiten und fand dann noch genügend Elan, um mit seinem Reiter Späßchen zu treiben. Kurz und Gut – für alle scheinbar fit für Dubai. Auch vor Ort gab es von Mitstreitern lobende Worte für Boreal. Eric Libaud, der Trainer von Ange Gabriel und der vor einem Jahr siegreichen Terre a Terre, gesegnet mit einem besonderen Auge für Rennpferde, zu Gregor Axler: „Die Bewegung und die Spritzigkeit ist bemerkenswert.“
Diese Beobachtung wurde dann auch von den Stoppuhren bestätigt, die bei einer schier unglaublichen Zeit stehen blieben. Da man dieses Phänomen schon aus dem Vorjahr kannte, wurde die Hoffnung, Boreal hätte zu alter Form und Lust zurückgefunden, geschürt und man ging sehr hoffnungsvoll in das Rennen. Axler war sich zu diesem Zeitpunkt so sicher, dass sein Boreal gut abschneiden würde, dass ihn das Ergebnis schlussendlich persönlich traf, wie ein Blitzschlag. Ein kurzer Schmerz und gleich wieder vorbei. Boreal trudelte als Letzter in Ziel, weit entfernt von seiner Vorjahresform. Von Gregor Axler in Empfang genommen, ging man zur üblichen Routine über. Absatteln, Abspritzen, Trockenführen.
Dabei konnte man gar Wundersames bei Boreal feststellen. Nicht einmal 15 Minuten nach dem schweren Rennen war der Hengst wieder guter Dinge. Schon abgetrocknet, zeigte er deutliche Hengstallüren und gab damit für alle ersichtlich zu verstehen. „Rennen laufen – eher nein. Hengstleben führen – eher ja.“ Da ist die Entscheidung ihn aus dem Rennstall zu nehmen, wohl die einzig richtige. Doch auch ohne die Signale nach dem Rennen waren die gezeigten Vorstellungen in den letzten Rennen schon ein Fingerzeig Richtung Karriereende, obwohl das gesamte Team um Boreal noch immer einen Funken Hoffnung hatte.
Wer könnte das nicht verstehen? In Epsom, im Juni 2002, an einem historischen Tag für die deutsche Vollblutzucht, schrieb Boreal seiner Vita einen ganz außergewöhnlichen Beitrag hinzu: Er gewinnt auf heiligem Boden, auf der Derbybahn in England, mit dem Coronation Cup ein Gruppe 1-Rennen, und wird somit zum ersten in Deutschland gezogenen und trainierten Pferd, dem dies gelingt.
„Wir waren häufig im Auftrag des Vogels unterwegs“, gibt Gregor Axler mit einem verschmitzten Lächeln zu verstehen. Dieser Talisman, ein kleiner Vogel, der immer an Boreals Stalltür hing und mit ihm auf allen Reisen unterwegs war, musste dann auch auf abenteuerliche Weise an den jeweiligen Zielposten gehängt werden. Nicht immer ein leichtes Unterfangen, wie Gregor zu verstehen gab.
Kritik findet Axler an der Entscheidung, dass Boreal noch nicht einmal eine Nominierung zum Galopper des Jahres 2002 erhalten hat. „Von gewinnen spreche ich gar nicht, aber dass ein Pferd, dass zwei so gute Leistungen, wie Dritter in einem starken Dubai Sheema Classic-Feld wird und dann noch den Coronation Cup gewinnt, nicht einmal nominiert wird. Da fehlt mir das Verständnis.“ Es scheint, dass Boreal in seiner gesamten Rennkarriere aus der Stellung des ‚Underdog’ nie herausgetreten ist. Doch diese Zeit ist für Boreal nun endgültig zu Ende und auch Gregor Axler hadert nicht mehr mit dem Schicksal. „Ich hoffe sehr, dass Boreal als Beschäler seine guten Eigenschaften weitergeben kann. Er hat alles, was ein gutes Rennpferd braucht. Er besitzt viel Härte, hat einen Super-Charakter, richtig viel Herz und ist ein Pferd ohne Allüren.“